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Rottal-Inn
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Bei den Landshuter Einrichtungen überbelegt – Leiterin: Mindestens fünf Plätze mehr nötig

Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken, das oft genug unter dem Mantel der Verschwiegenheit verschwindet – das wollte der WEISSE RING im Landkreis Rottal-Inn mit der Podiumsdiskussion „Wozu brauchen wir heute noch Frauenhäuser? – Wer hilft bei häuslicher Gewalt und wie geht es weiter?“ erreichen. Mit 56 Zuhörern, die dazu nach Eggenfelden gekommen waren, ist ihnen das gelungen – und noch mehr: Zahlreiche Kommunalpolitiker, die sich ebenfalls unters Publikum gemischt hatten, sicherten den Verantwortlichen ihre Unterstützung zu.

„Wenn er besoffen ist, dann bekomm ich schon mal a Watsch’n. Aber ansonsten passt es eigentlich – wir sind ja schon 20 Jahre verheiratet“. Oder: „Ich habe solche Angst. Um mich, um meine Kinder. Mein Mann rastet nahezu täglich aus, und ich kann nichts machen. Wenn ich ihn anzeige, dann schlägt er mich erst recht grün und blau.“ Wer sich als Ehrenamtlicher beim WEISSEN RING engagiert, kennt solche Sätze. Nicht aus Filmen, nicht aus Büchern – sondern aus der Realität. Manchmal, da hilft es schon, wenn die Frau die Polizei einschaltet, wenn die Beamten den Mann vernehmen, die Strafanzeige, der Gerichtsprozess plötzlich ganz nah sind.

„Ist das überhaupt eine Straftat?“ ist eine Frage, die Kriminalkommissarin Maria Plötz oft hört, wenn ihr die Frauen zur Vernehmung gegenüber sitzen. Oder:„ Er schlägt mich nicht, aber ich habe ein ungutes Gefühl.“ Meistens ist es nicht nur körperliche, sondern auch psychische Gewalt, welche die Frau ertragen muss: „Kontrolle übers Geld, zum Beispiel“, sagt Maria Plötz, sei so ein Fall. In den meisten Fällen ist die Strafanzeige Denkzettel genug für den Ehemann, so die Erfahrung der Polizeibeamtin, die Rudolf Preisinger – seit 2001 bei der Polizei Eggenfelden als Schwerpunkt Sachbearbeiter „Häusliche Gewalt“ eingesetzt – teilt: „Meistens ist dann Ruhe“, meint er.

„Lotse“ für die Opfer

Doch es gibt auch Fälle, die sich wie eine Spirale immer weiter nach oben schrauben – bis es zum Gewaltexzess kommt. Dann rückt die Polizei nach einem Notruf an, holt die Frau aus dem Haus, bringt sie in Sicherheit – meist gemeinsam mit ihren Kindern. Der Schläger bekommt einen Platzverweis, ein Kontaktverbot, wenn weiter Gefahr besteht, setzen sich die Beamten mit dem WEISSEN RING in Verbindung. Dort versteht man sich, wie Günther Wagner, Leiter der Außenstelle Rottal-Inn betont, eher als „Lotse“ für die Opfer – und stellt beispielsweise Kontakte zum Frauenhaus her.

Für die Region Rottal-Inn sind die beiden Einrichtungen in Landshut – geführt jeweils von Caritas bzw. Arbeiterwohlfahrt – erste Anlaufstellen. Je fünf Plätze für Frauen und je sieben Plätze für Kinder gibt es dort. Zudem je einen Platz für Notfälle, wie Gabriele Unverdorben vom Caritas-Frauenhaus erläutert. Und doch reichen diese bei weitem nicht aus. „2017 hatten wir eine Auslastung von 110 Prozent. Auch der Notplatz war ständig belegt. Oft zieht eine Frau am Vormittag aus, und am Nachmittag eine andere Frau ein“, sagt Unverdorben. Und oft bleibt keine Zeit, die Matratzen zu reinigen, die Wände zu streichen. Noch öfter muss man hilfesuchende Frauen auch weiter schicken – bis zu 150 Kilometer weit. Wenn auch dann kein Platz zu finden ist, kommt es schon vor, dass sich Günther Wagner ins Auto setzt und einfach so lange weiter fährt, bis er die Frau gut untergebracht weiß. 250 Kilometer ist er dafür schon einmal gefahren. „Wir haben ein riesiges Einzugsgebiet mit vier Landkreisen – und wir sind völlig überlastet“, sagt Gabriele Unverdorben. Den umliegenden Frauenhäusern geht es nicht anders. Deshalb fordert sie: „Mindestens fünf Plätze mehr“, und eine weitere Vollzeitstelle. Eine Sozialpädagogin könnte sich dann adäquat um die Kinder kümmern, die oftmals traumatisiert in einer Nacht - und Nebelaktion Familie, Heim und Freunde hinter sich lassen mussten. Im Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt in Landshut hätte man die räumlichen Kapazitäten – doch das Geld fehlt.

Frauenhäuser finanzieren sich über die Miete, die die Bewohner bezahlen, über den Beitrag des Trägers, über staatlichen Zuschuss und über Beiträge von Landkreisen und Kommunen. Letztere bezahlen einen anteiligen „Grundkostenzuschuss“ sowie in der „Spitzabrechnung“ die Kosten nach tatsächlicher Herkunft der Frauen. Optimal, sagt Gerhard Schmid, stv. Leiter der Außenstelle Rottal-Inn des WEISSEN RINGS, wäre es, wenn die Finanzierung gleich komplett vom Freistaat übernommen würde.

Thema beim nächsten Bürgermeistertreffen

Bis dahin hofft man auf Unterstützung der Kommunen – und die zeichnet sich gegen Ende der Podiumsdiskussion immer deutlicher ab. „Hier sollte nicht gespart werden“, betont Elmar Buchbauer (Julbach), Kreisrat und Sprecher der Bürgermeister im Landkreis Rottal-Inn. Er hält Frauenhäuser für eine wichtige und richtige Einrichtung. „Wir haben hier Defizite, ganz klar, und das müssen wir ändern. Wenn dafür die Kreisumlage um einen Prozentpunkt steigt – dann sollte uns das die Sache wert sein und jeder sollte damit einverstanden sein.“ Zum nächsten Treffen der Bürgermeister im Landkreis will er Gabriele Unverdorben eine Bühne bieten, sie soll von ihrer Arbeit erzählen, aufmerksam machen auf die Platznot, die in den Frauenhäusern herrscht. Visitenkarten werden getauscht, und plötzlich scheint die Antwort auf die Frage, wozu wir heute noch Frauenhäuser brauchen, jedem klar zu sein. Platznot hin oder her – Hilfe gibt es hier, wie Unverdorben betont, in jedem Fall: „Sie können uns immer anrufen. Rund um die Uhr, auch am Wochenende. Wir werden immer Hilfe finden.“

56 Zuhörer waren zur Podiumsdiskussion rund um häusliche Gewalt nach Eggenfelden gekommen. Den Fragen stellten sich (von links) Rudolf Preisinger (Polizei Eggenfelden), Gabriele Unverdorben (Caritas Frauenhaus Landshut), Moderator Gerhard Schmid (WEISSER RING), Sigrid Berndt-Pötzinger (Gleichstellungsbeauftragte Rottal-Inn), Kriminalhauptkommissarin Maria Plötz (Beauftragte der Polizei für Kriminalitätsopfer) und Günther Wagner (Leiter Außenstelle Rottal-Inn WEISSER RING). - Quelle: Kessler, Doris  PNP 

 

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